Die Sehnsucht des Königstigers

Die Sehnsucht des Königstigers

Beitragvon Icetigersnet am Di 10. Mär 2009, 18:08

Zehn Jahre nach der ersten Vizemeisterschaft: Was aus den Helden von ’99 wurde
Die Sehnsucht des Königstigers

Mezin. Garvey, Droppa. Grant, Lundell. Stas, Smazal. Jiranek, Miller, Momesso. Cierny, Peltonen, Reichel. Ramoser, Straube, Craighead. Dudik, Chakraitchuk, Valenti... Nein, das ist nicht Peter Handke. Dabei klingt diese Aufstellung für jeden der Pubertät entwachsenen Nürnberger Eishockey-Fan tatsächlich wie ein Gedicht aus einer unwirklich schönen Zeit. Einen goldenen Frühling lang war Nürnberg eine Eishockeystadt. in der man sich auf Höhe der Tankstelle in der Äußeren Bayreuther Straße brav in die Schlange eingereiht hatte. Voller Hoffnung, an diesem 27. April 1999 dabei zu sein, wenn die Ice Tigers im brodelnden Linde-Stadion Deutscher Meister werden. Heute weiß man es besser, näher ist man dem Titel in Nürnberg seither nicht gekommen. Auch deshalb schwärmt man in der Arena noch heute von der Vizemeisterschaft ’99. Ab Freitag spielen die Ice Tigers wieder gegen Mannheim, diesmal im Play-off-Viertelfinale. Zehn Jahre nach der packenden Finalserie hätte es einen passenderen Gegner nicht geben können. Bevor die Helden von 2009 übernehmen, haben wir nachgeschaut, was aus den Helden von 1999 geworden ist.

Sergio Momesso hat Nürnberg nie verlassen. Ebenso wenig ist Elvis tot oder hat ein Mensch jemals den Mond betreten. Erst kürzlich hat jemand Momesso in Zerzabelshof an der Ampel nebenan im Auto sitzen sehen. Ein anderer soll sogar gehört haben, dass sich der legendäre Ex-Kapitän in Weiherhof ein Haus gekauft hat. Klar ist jedenfalls, dass er zurückkommen wird. Wenn schon nicht als Spieler, dann als Manager, Trainer oder zumindest als Präsident.

Elvis ist tot. Neil Armstrong hat am 21. Juli 1969 den Mond betreten. Und Sergio Momesso wohnt nicht in Weiherhof. Karin und Andreas Flierl wissen das. Die beiden Ice-Tigers-Fans haben Momesso besucht. In Montréal. In Momesso’s, einem Café, seinem Café. Drei Stunden hat er sich Zeit genommen für seine weitgereisten Gäste, und am Ende hat er den Flierls zwei Visitenkarten mitgegeben, eine für Herbert Frey, den ehemaligen Präsidenten der Ice Tigers, und eine für den aktuellen Präsidenten, wer auch immer das sein möge. Dann sagte der große Kanadier mit den italienischen Wurzeln noch: «Sollte mich die Organisation in Nürnberg als Coach, Sportlichen Leiter oder in einer anderen Position benötigen, so stehe ich gerne bereit, den Ice Tigers zu helfen.» Und in Nürnberg soll der aktuelle Manager der Ice Tigers nervös geworden sein, als er diesen Satz in einem Artikel auf http://www.hockeyweb.de gelesen hat.

Martin Jiranek hat mit Andy McDonald, Jamie Langenbrunner und Marco Sturm in einer Reihe gespielt. Mit NHL-Stars. Es fällt ihm sichtlich schwer, das zu vergessen. Dann sagt er aber: «Die Mannschaft von ’99 hat das Beste aus jedem Einzelnen herausgeholt. Sergio war danach nicht mehr so gut. Jason hat nie mehr so viele Tore geschossen, ich nie mehr 69 Punkte gemacht. Droppa, Garvey, Stas, Lundell und Grant waren auch danach gute Verteidiger, aber nie mehr so gut wie damals.» «Also war die legendäre Reihe Jiranek/Miller/Momesso die beste, in der Sie je gespielt haben?» Jiranek überlegt und entscheidet sich dann für eine diplomatische Antwort: «Es gibt vier Jahre, die ich nie vergessen werde. Als ich mit den Portland Pirates in der AHL den Calder-Cup gewann, die Vizemeisterschaft . . . wann war das? 2007? Ah ja. Das Jahr mit den NHL-Profis in Ingolstadt und natürlich auch ’99. Diese Saison hat den Marktwert von jedem einzelnen Spieler gesteigert, von jedem einzelnen.»

Neben Manager Otto Sykora ist Jiranek der einzige Vizemeister von 1999, der den Ice Tigers (abgesehen von einem kurzen Seitensprung nach Ingolstadt) treu geblieben ist. Oder der Einzige, dem die Ice Tigers treu geblieben sind. Als Co-Trainer steht der Deutsch-Kanadier ab Freitag an der Bande, wenn es zum fünften Mal in den Play-offs gegen Mannheim geht. Und wieder haben die Tigers «eine unglaubliche Gruppe: Vielleicht sind wir nicht so talentiert wie damals, aber so einen Zusammenhalt gibt es in der gesamten Liga kein zweites Mal.»

Mit seinen Kollegen von einst hat Jiranek kaum noch Kontakt. Von Liam Garvey, dem wilden Verteidiger mit der Nummer 87, der nur in diesem einen Jahr wie ein Taifun die Reihen der Gegner durcheinanderwirbelte und nach seinem zweiten, nicht ganz so erfolgreichem Gastspiel in Nürnberg (2003/2004) seine Karriere beendete, weiß er, dass dieser nun in Chicago lebt und arbeitet. Mit Jason Miller, dem besten Torschützen der Saison 98/99, hatte er kürzlich noch Kontakt. Der Mittelstürmer spielt noch immer, mittlerweile bei den Dresdner Eislöwen, seinem dritten Klub nach Schwenningen und Regensburg in der Zweiten Liga. Im Alter von 37 Jahren musste Miller zwar erst ein Probetraining absolvieren. Mit 17 Treffern in 29 Spielen hat er jedoch seine Verpflichtung gerechtfertigt, im Gegensatz zu vielen anderen seiner neuen Kollegen beim Tabellenvorletzten.

Miller trifft sich oft mit alten Kollegen, berufsbedingt. Bei Gastspielen in Schwenningen, Freiburg, Bietigheim und Weißwasser steht er dem slowakischen Verteidiger Ivan Droppa, dem weißrussischen Strafbankkönig Sergej Stas, dem fleißigen Heiko Smazal sowie den Stürmern Chris Straube und Sven Valenti (beide Lausitzer Füchse) gegenüber. Martin Reichel ist mittlerweile in seine zweite Heimat, nach Rosenheim, zurückgekehrt und spielt dort mit den Starbulls in der Oberliga. Noch ein paar Kilometer weiter südlich jagt auch Roland Ramoser (36) beim HC Bozen noch immer dem Puck hinterher. Der in Nürnberg nicht immer glückliche slowakische Torjäger Jozef Cierny ist inzwischen bei den Den Haag Wolves in der niederländischen Eredivisie angekommen. So viele Tore wie bei den Ice Tigers hat er nie wieder geschossen.

Klassentreffen der Helden von ’99 waren zuletzt auch noch in der wahrscheinlich zweitbesten Liga der Welt möglich. Dimitri Dudik verdient sein Geld mittlerweile bei Dinamo Minsk und spielt damit ebenso in der Kontinentalen Hockey-Liga (KHL) wie Andrej Mezin und Vadim, den sie in Nürnberg ob der Kraft seines Schlagschusses und seines rechten Hakens «den Schmied» nannten, Chaktraitshuk, die gar beim Spitzenklub Metallurg Magnitogorsk unter Vertrag stehen. Es gibt also Spieler, die in jenem goldenen Frühling vor zehn Jahren im schäbigen, aber mächtig charmanten Linde-Stadion nicht ihren Karriere-Höhepunkt erlebt hatten.

Dazu zählt auch Daniel Kunce, der zwei Jahre nach seinem, nicht ganz freiwilligem Abschied von Nürnberg mit den Krefeld Pinguinen Deutscher Meister wurde. Zu Beginn dieser Saison schien es dann allerdings so, als hätte sich der Verteidiger für den Vorruhestand entschieden. Kunce aber schaffte rechtzeitig den Absprung aus Duisburg und spielt derzeit mit den Lions in den Pre-Play-offs. Und so freut man sich in Frankfurt über das geradlinige Spiel des Ex-Nationalverteidigers und fragt sich, warum dieser Kunce seinen harten und platzierten Schlagschuss nicht öfter nutzt.

Kevin Grant, ein in Nürnberg gefürchteter Defensivspezialist, der zwei Spielzeiten später in Hannover überraschenderweise seine Freude am offensiven Spiel entdeckte, dessen feiner Kollege, Per Lundell, und der damalige Play-off-Topscorer Jarno Peltonen, zeigen ihren Schlagschuss allenfalls noch auf dem Weiher. Der Kanadier, der Schwede, der ebenso wie Droppa und Garvey noch einmal nach Nürnberg zurückkehrte, und der Finne haben ihre Karrieren beendet und keine Spuren als Trainer, Manager oder Spielerberater hinterlassen.

Spuren von Michel Vallieres Wirken in Nürnberg sind hingegen bei jedem weiteren Heimspiel zu begutachten. Der Franko-Kanadier hat Pucki, das beste Maskottchen der Deutschen Eishockey-Liga, erfunden, wofür ihm die Fans im Nachhinein ebenso dankbar sein sollten wie für jenen einen Halbfinalsieg ’99 gegen Frankfurt. Valliere ist inzwischen ein erfolgreicher Nachwuchstrainer, leitet eine Eishockey-Schule in Québec. Wie es ihm geht, war leider nicht rauszukriegen. Pucki schweigt, grinst dabei aber.

Zurück zu den Flierls. Bei ihrem letzten Kanada-Urlaub wollte das Ehepaar auch John Craighead besuchen. Oberhausen, Manitoba (damit fast Vancouver, also NHL), Nottingham, Cardiff, eine zweifelhafte Zirkusveranstaltung, bei der sich Raubeine verprügeln sollten, ohne sich dazwischen mit Eishockey aufzuhalten, und wieder Vancouver, wo er trotz eines grotesk großen Afros Autos verkaufte, lauten die Stationen des US-Amerikaners. Aber als die Flierls in der Westküstenmetropole ankamen, hieß es, Johnny sei seiner wahren Berufung gefolgt und zum Film gegangen. Tatsächlich steht Craighead derzeit vor der Kamera, als Double für den Ex-Catcher Dwayne «the Rock» Johnson, der zwar nicht Schlittschuhlaufen kann, aber einen Eishockeyspieler auf dem Pfad der Tugend spielen soll . . . Vielleicht lebt Elvis ja doch noch.
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